Das Projekt „Hybrider Einzelhandel“ ist gestartet

Die beiden Projektverantwortlichen Jalina Maaßen (JM) von der Wirtschaftsförderung der Stadt Aachen und Sarah Güsken (SG) vom Lehrstuhl für Informationsmanagement im Maschinenbau der RWTH Aachen (IMA) sprechen über den Start des Förderprojekts „Hybrider Einzelhandel“. Das Projekt wird im Rahmen des Programms „Digitale Modellregionen NRW“ vom Land NRW gefördert und läuft bis zum 31.08.2022.´

Das ausführliche Interview können Sie sich in unserer ersten Podcast-Folge anhören:

 

SG: Zum Einstieg: Welche Ziele hat das Projekt und wie sollen diese erreicht werden?

JM: Die Corona-Pandemie hat aus meiner Sicht noch mal verdeutlicht, wie wichtig die Digitalisierung ist, um auch in Extremfällen, in denen die Geschäfte schließen müssen, einen Kontaktpunkt zur eigenen Zielgruppe zu haben sowie einen weiteren Vertriebskanal nutzen zu können. Unser Ziel ist es daher Aachener Einzelhändler*innen und Gastronom*innen einfache Möglichkeiten der Digitalisierung aufzuzeigen und diese gemeinsam mit ihnen umzusetzen. Wichtig ist, dass dies unter Berücksichtigung der verschiedenen Digitalisierungslevel und der verfügbaren Ressourcen geschieht.

Jalina Maaßen, Projektleiterin bei der Wirtschafsförderung der Stadt Aachen

Jalina Maaßen, Projektleiterin bei der Wirtschafsförderung der Stadt Aachen

Gemeinsam mit den Unternehmen werden wir einen digitalen Werkzeugkasten entwickeln, der verschiedene Komponenten und Möglichkeiten bieten wird, stationäre Geschäfte zu unterstützen das digitale Angebot stationär erlebbar zu machen. Hierunter fallen zum Beispiel Services, wie eine Online-Terminvereinbarung, die online Einbindung von digitalen 360°-Rundgängen durch Geschäfte und Restaurants, oder die digitale Navigation zum stationären Geschäft über Echtzeitdaten von bspw. Parkhäusern oder Bike-Sharing. Als Kern steht dafür im Projekt eine technische Infrastruktur in Form einer Plattform bereit, über die der digitale Werkzeugkasten abgebildet werden kann. Zu Beginn werden wir hierfür einen Prototypen haben, auf dem sich Interessenten anschauen können, wie so etwas aussehen kann. Im Laufe des Projekts wird unsere Plattform den Anwender*innenbedürfnissen entsprechend zu einem digitalen Einkaufserlebnis gemeinsam weiterentwickelt werden.

Zusammengefasst: Gemeinsam wollen wir den Aachener Standort durch das Zusammendenken beider Kanäle – stationär und online – attraktiver machen. Außerdem wollen wir dem veränderten Konsument*innenverhalten gerecht werden und dem Wunsch, dort einzukaufen, wo es eben am besten passt, auch lokal in Aachen nachkommen.

JM: Wie arbeiten die Stadt Aachen und das IMA dabei zusammen?

SG: Die Stadt Aachen übernimmt die Aufgaben der Projektkoordination und Händlerbetreuung und stellt die technische Infrastruktur bereit. Unser Lehrstuhl begleitet all diese Schritte mit Forschung. Wir erheben die Anforderungen von Konsument*innen, Einzelhändler*innen und Gastronom*inne, damit hinterher alles zusammenpasst und den Anforderungen entspricht. Man kann also sagen, dass die Stadt Aachen der Praxis- und das IMA der Forschungspartner ist.

Sarah Güsken, Leiterin wissenschaftliche Begleitforschung beim IMA - Lehrstuhl für Informationsmanagement im Maschinenbau der RWTH Aachen University

Sarah Güsken, Leiterin wissenschaftliche Begleitforschung beim IMA – Lehrstuhl für Informationsmanagement im Maschinenbau der RWTH Aachen University

JM: Welche Zielgruppen sollen mit dem Projekt angesprochen werden?

SG: Es gibt vier Zielgruppen, die wir mit dem Projekt ansprechen wollen. Zum einen sind das Einzelhändler*innen und Gastronom*innen, die wir befähigen wollen sich gut für die Zukunft aufzustellen. Zum anderen konzentrieren wir uns auf Konsument*innen, die ein gutes lokales Einkaufserlebnis in Aachen haben sollen.

Damit der Werkzeugkasten alleine weiter bestehen kann, brauchen wir jemanden, der diesen betreibt. Die Betreiber*innen solcher Werkzeugplattformen sind daher eine weitere Zielgruppe, die jedoch erst zum Ende der Projektlaufzeit relevant wird.

SG: Welche Angebote werden für die Unternehmen bereitgestellt?

JM: Wir bieten den teilnehmenden Unternehmen eine engmaschige Betreuung an, zum Beispiel bei der Inbetriebnahme digitaler Technologien. Auch werden wir die notwendige technische Infrastruktur zur Verfügung stellen. Hierzu wollen wir möglichst einfache Lösungen für ein Warenwirtschaftssystem schaffen, um darauf aufbauend den digitalen Werkzeugkasten bestmöglich nutzen zu können.

Für das Projekt wird es zudem eigene Workshops geben, in denen es sowohl um Grundlagenwissen als auch um die Schaffung einer gemeinsamen Basis geht. Ergänzend werden den Unternehmen zusätzliche Maßnahmen zur Weiterbildung durch den Fachbereich Wirtschaft, Wissenschaft und Europa aufgezeigt. Über die Projektlaufzeit sind außerdem einige (Netzwerk-)Veranstaltungen geplant, in deren Rahmen wir die Möglichkeit haben werden über Best Practices zu sprechen, Vorträge anzuhören und uns auszutauschen. Des Weiteren werden gemeinsame Marketingaktivitäten geplant und umgesetzt werden.

SG: Warum sollten Einzelhändler*innen oder Gastronom*innen am Projekt teilnehmen?

JM: Das Projekt bietet den Unternehmen die Möglichkeit, ihr Serviceangebot auszubauen, ihre Sichtbarkeit zu steigern und dadurch neue Kund*innen zu gewinnen, aber auch ihren Onlinevertrieb auf- oder auszubauen und somit Umsatzpotenziale zu generieren. Gemeinsam können wir dadurch die Attraktivität unserer Stadt erhalten und ausbauen und eine mehrwertstiftende Plattform für Aachen gestalten. Und das Schöne ist: Unabhängig vom bisherigen Digitalisierungslevel kann jedes kleine oder mittelständische Unternehmen aus Einzelhandel oder Gastronomie mitmachen. Es sind keine speziellen Voraussetzungen notwendig. Die Unternehmen sollten aber Spaß daran haben Dinge neu zu denken und auszuprobieren sowie sich auszutauschen und Erfahrungswerte zu teilen.

Damit wir den digitalen Werkzeugkasten ideal weiterentwickeln können, sind wir darauf angewiesen, dass die teilnehmenden Unternehmen uns auch bei der begleitenden Forschung unterstützen. Aber keine Sorge: Der Aufwand wird sich in Grenzen halten und dient eben dazu, die Anforderungen bestmöglich umzusetzen, sodass alle von dem Projekt profitieren können. Dabei sind wir bestrebt die Forschung zielgruppengerecht zu gestalten, sodass die Teilnehmer auch gerne mitmachen.

JM: Worin liegt aus deiner Sicht der Innovationscharakter des Projekts?

SG: Es gibt viele Projekte in der Praxis und Forschung, die versuchen den Einzelhandel attraktiver zu gestalten und ihn zukunftsfähig aufzustellen. Allerdings versuchen die meisten Projekte an einer bestimmten Stelle anzusetzen. Wenige konzentrieren sich darauf mehrere Kanäle zu verknüpfen. Genau da setzen wir an.

JM: Und zu guter Letzt: Welche Erwartungen und Wünsche hast du an das Projekt?

SG: Mit Blick auf das Ende der Projektlaufzeit wünsche ich mir als Bürgerin, dass ganz Aachen von unserem Projekt weiß, unsere Werkzeuge funktionieren, es den Einzelhändler*innen und Gastronom*innen besser geht und die Konsument*innen sagen „Das ist eine super Sache, die ich bisher noch nicht in einer anderen Stadt gesehen habe.“ Als Forscherin freue ich mich auf die Forschungsergebnisse und darauf, dass wir mit unserem entwickelten Modell hinterher auch anderen Städten dabei helfen können attraktiver zu werden bzw. zu bleiben.

JM: Auch ich wünsche mir eine möglichst große Bekanntheit unseres Projekts und dass wir vielen Einzelhändler*inne und Gastronom*innen bei ihrem individuellen Digitalisierungsprozess helfen und sie fit für die Zukunft machen können. Hierfür wird ein sehr persönlicher und intensiver Austausch notwendig sein. Außerdem freue ich mich schon auf die Umsetzung der technischen Infrastruktur und die gemeinsame Diskussion dazu in den Workshops.